Über den weiteren Lebensweg der Familie Sondheimer

„Von Neuhof nach Emek Hefer und zurück“

 

Zusammenfassung eines  Berichtes von Amnon Rimon, Enkel von Nathan und Lina Sondheimer

Ewald Sondheimer hatte am 1. April 1934 bei einer jüdischen Firma in Kassel eine kaufmännische Lehre begonnen, die er aber Ende September 1935 abbrechen musste, da die Firma in den Konkurs ging. So beschlossen die Sondheimers, nach Holland zu ziehen - zuerst Ewald, dann Liesel, zuletzt die Eltern mit Elli.

Ewald arbeitete in der Landwirtschaft und wurde bald sehr aktiv in der zionistischen Hachshara-Bewegung (Vorbereitung auf die Besiedelung Palästinas).

Die Eltern Sondheimer erkannten, dass es für sie als jüdische Familie keine Zukunft in Europa geben würde und entschieden, ihr Glück im fernen Brasilien zu suchen. Doch sie konnten ihre beiden Ältesten nicht für diesen Plan gewinnen. Liesel, die inzwischen in Amsterdam mit einem Holländer verheiratet war und ein Kind hatte, wollte mit ihrer Familie in Holland bleiben. Und Ewald hielt an seinem Ziel Palästina fest. So traten die Eltern am 30. Januar 1939 allein die Reise nach Rio-de-Janeiro an, wo sich ihre Tochter Elli bereits seit einiger Zeit aufhielt.

   

Lina und Nathan Sondheimer (links) vor ihrer Abreise am 24. Februar 1939 mit dem Schiff Kerguelen
Lina und Nathan Sondheimer (links) vor ihrer Abreise am 24. Februar 1939 mit dem Schiff Kerguelen

Liesel lebte also mit ihrem Mann Benedictus Wijnman und dem Söhnchen Wolfgang ein normales Leben in Amsterdam. Doch durch den Einmarsch der Deutschen im Mai 1940 und die Kapitulation der holländischen Regierung änderte sich das Leben in Holland dramatisch, und der Kontakt zwischen den in alle Welt zerstreuten Sondheimers brach ab.

 

 Wolfgang an der Hand seiner Mutter kurze Zeit vor der Deportation nach Auschwitz, den "Judenstern" an ihrer Kleidung
Wolfgang an der Hand seiner Mutter kurze Zeit vor der Deportation nach Auschwitz, den "Judenstern" an ihrer Kleidung

Gebetbuch von Lina Sondheimer geb. Sommer

 

 

Priatbesitz des Enkels Amnon Rimon, Israel

Die Eltern Lina und Nathan Sondheimer in Brasilien
Die Eltern Lina und Nathan Sondheimer in Brasilien

Noch Jahre nach dem Krieg war die einzige Information über das Schicksal von Liesel und ihrer Familie, dass sie alle deportiert und in Auschwitz ermordet worden seien. Mittlerweile sind aber die Todesdaten bekannt: Benedictus Wijnman (*1914), der sich von seiner Frau Liesel getrennt hatte, starb am 30. Dezember 1942.

Liesel Wijnman geb. Sondheimer (*1914) wurde vom Sammellager Westerbork zusammen mit ihrem 7 Jahre alten Sohn Wolfgang nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Beider Todesdatum ist der 3. August 1943.

Letztes Lebenszeichen von Benedictus Wijnman sowie Liesel geb. Sondheimer und Söhnchen Wolfgang (Arolsen, Online-Archiv, Signatur 1242023)
Letztes Lebenszeichen von Benedictus Wijnman sowie Liesel geb. Sondheimer und Söhnchen Wolfgang (Arolsen, Online-Archiv, Signatur 1242023)

Elli heiratete in Rio de Janeiro Peter Mottek. Das Ehepaar bekam eine Tochter, der sie den Namen Vivian gaben. Zu dieser Zeit war Ellis Vater Nathan Sondheimer schon sehr krank, er starb 1952 im Alter von 70 Jahren. Seine Witwe Lina übersiedelte bald darauf nach Israel zu ihrem Sohn Ewald und dessen Familie. Im Jahr 1957 zog die Familie Mottek zurück nach Deutschland, wo Vivian verheiratete Albers heute noch in Hamburg lebt.

 

Von Ewald zu Shlomo

   Nachdem die englische Mandatsverwaltung Ewald Sondheimer das Visum verweigert hatte, wanderte er im Herbst 1939 mit seiner holländischen Hachshara-Gruppe illegal in Palästina ein - wenige Tage vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges. Ewald, der sich jetzt Shlomo nannte, gründete mit den Hachshara-Freunden einen Kibbutz und lebte dort mit seiner Frau Hava, die er von Holland her kannte und in Palästina heiratete.

Nach einigen Jahren ließen sich Shlomo und Hava Sondheimer in Emek Hefer nieder, um in der Siedlung Nira eine eigene private Landwirtschaft aufzubauen. Hier wurden auch die beiden Kinder Amnon (*1944) und Noemi (*1948) geboren. Dank unermüdlicher Arbeit entwickelte sich das landwirtschaftliche Projekt in den Folgejahren zu einer regelrechten Musterfarm, die von vielen Delegationen, auch aus Deutschland, besucht wurde.

In den 1970er Jahren engagierte sich Herr Sondheimer verstärkt in der Kommunalpolitik und stieg bald in Führungspositionen auf. In seiner Funktion als "Regional Council deputy" beteiligte er sich aktiv am Austausch zwischen Israel und Deutschland. So wurde er in den 1980er Jahren zur führenden Person in der Partnerschaft zwischen Siegen-Wittgenstein und Emek Hefer. Er betreute und führte unzählige Delegationen und Privatpersonen, die von Siegen oder anderen Orten nach Israel kamen, um sich die imponierende Aufbauarbeit im Land anzusehen. Auch umgekehrt leitete Shlomo Sondheimer entsprechende Unternehmungen von Israel nach Deutschland.

Als Anfang der 1990er Jahre Shlomo Sondheimers Krebsleiden zunehmend schlimmer wurde, unternahm er mit seiner Frau Hava und seinem Sohn Amnon nochmals eine Reise in die alte Heimat Deutschland. Wenige Monate vor seinem Tod war dies eine Art Abschiedstour, um danach in seiner neuen Heimat Israel im November 1996 zu sterben und begraben zu werden.

 

  

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Ewald - Shlomo Sondheimer
Ewald - Shlomo Sondheimer