Feierliche Einweihung der Synagoge im November 1910
Bericht in der Zeitschrift "Der Israelit"
Burghaun, 15. Nov. Am 13. November fand hier die Einweihung unserer neu erbauten Synagoge statt. Von nah und fern waren Freunde und ehemalige Söhne und Töchter der Gemeinde nach ihrer alten Heimat hergeeilt, um an diesem Feste teilzunehmen. Die Einweihungsfeier gestaltete sich infolgedessen zu einem Volks- und Heimatfeste in der schönsten Bedeutung des Wortes. Die Gemeinde hat sich bemüht an Stelle des baufällig gewordenen alten Gotteshauses, das auch räumlich den Ansprüchen nicht mehr genügte, eine schöne Synagoge zu erbauen, die sowohl von außen als in ihrer inneren Einrichtung einen würdigen Eindruck macht, und sie hat hierzu keine Opfer gescheut. Vor Beginn des Baues war der Gemeinde noch eine Erbschaft in Höhe von 10000 Mk. von einem in jungen Jahren dahingeschiedenen Manne zugefallen, der seiner Mutter-gemeinde in seinem Testamente gedachte. Die Gemeinde hat ihm in der Synagoge eine Gedenktafel gewidmet. Für die innere Ausstattung waren von den religiösen Vereinen und früheren Mitgliedern der Gemeinde zahlreiche wertvolle Gegenstände gespendet worden.
Um 1 1/2 Uhr nachmittags fand in der alten Synagoge die Abschiedsfeier statt. Nach einem Psalmvortrag hielt Herr Rabbiner Dr. Cahn aus Fulda die Abschiedsrede. Anknüpfend an ein Schriftwort schilderte er, mit welchem Gottvertrauen die Gemeinde an das Werk gegangen, das nun schön vollendet dastehe und mahnte, aus dem alten in das neue Gebäude den alten Geist wahrer Religiosität und innerer Zusammengehörigkeit mitzunehmen. Gegen 3 Uhr fand die eigentliche Einweihungsfeier statt. Die Thorarollen wurden von der alten nach der neuen Synagoge getragen und vor dem Eingang derselben mit dem Chorgesang "Gesegnet sei, der da kommt.." empfangen. Hier waren die Vertreter der Königl. Staats- und Gemeindebehörden anwesend. Eine junge Dame sprach einen Prolog und überreichte dem Vertreter des Landrates den Schlüssel, der ihn mit einer Ansprache an den Rabbiner weiter gab. Unter Chorgesängen trat die Gemeinde ein. Nachdem unter den üblichen Gesängen mit den Thorarollen die Rundgänge (Hakafot) vorgenommen und von dem Herrn Rabbiner das Gebet für den Kaiser gesprochen war, hielt Herr Dr. Cahn die inhaltsreiche Weiherede, welche den Glanzpunkt des Festes bildete. Anknüpfend an ein Psalmwort führte er den Zweck des kleinen Heiligtums (der neuen Synagoge) vor Augen und wünschte, dass in einmütigem Zusammenhalten der Gemeinde stets die heiligen Aufgaben unserer Glaubenswelt sowohl in dem heiligen Raume als auch draußen außerhalb desselben die würdigste Pflege finden mögen. Chorgesänge, um deren Einübung und Leitung sich besonders Herr Lehrer Sonn, Rhina, verdient gemacht hatte, während die Leitung des Gottesdienstes Herrn Lehrer Strauß oblag, beschlossen die würdige Feier. (1)
(1) Original-Zeitungsausschnitt abgedruckt in: Elisabeth Sternberg-Siebert, Jüdisches Leben im Hünfelder Land - Juden in Burghaun 2008, S. 92. Die kursiv gesetzten Worte sind Übersetzungen der im Original hebräischen Textstellen.