Almosenkelch aus der Synagoge nach Jahrzehnten zurück in Burghaun

Spurensuche - Wanderungsgeschichte des Kelches noch ungeklärt

Verbleib von Gegenständen aus der Synagoge

Über den Verbleib von Gegenständen aus der am 10. November 1938 vernichteten Burghauner Synagoge gibt es verschiedene Aussagen, vage Erzählungen und Gerüchte.

 

In dem Buch von Hermann Schultheis "Die Reichskristallnacht in Deutschland nach Augenzeugenberichten" heißt es: 

 "... Die Synagoge wurde in der Weise angezündet, dass man über die aus dem Schulzimmer hereingeholten Bänke Benzin goss. 
Die Thorarollen, Gebetmäntel und Bücher hatten die Mitglieder, ebenso wie das Thorasilber, am Tage vorher  herausgenommen. ...
Aus der Mikwoh (Badehaus) wurde der Kessel gestohlen. Der Kronleuchter aus der Synagoge wurde aus der Haune gefischt und von dem Althändler zum alten Eisen geworfen. Die im Gotteshause zurück gebliebenen unbrauchbaren Bücher wurden an die Gartenzäune aufgespießt..." 1)
Weitere Erzählungen und Gerüchte:

"Der Kronleuchter wurde bei Nacht und Nebel herausgeholt. SS-Leute standen Wache..."

"Es gab ein paar ganz scharfe Nazis. ... Die haben dabei auch ihre Geschäfte gemacht. Den Kronleuchter aus der Synagoge hat auch einer geholt. ... Den soll der M. haben, das haben sie immer gesagt. ..."   2) 

Ein honoriger Mensch sagte vor Jahren wörtlich: "Ich weiß, wo der Kronleuchter aus der Synagoge ist ..." Leider war er nicht gesprächsbereit, bei späterer Nachfrage wich er aus und wusste nichts mehr davon.

Auch eine gezielte Erkundigung bei der gerüchteweise gehandelten Adresse brachte kein Ergebnis. Ich habe es dann aufgegeben. 

Aktuell im November 2013 erzählt: 

Die vor dem Synagogenbrand von Mitgliedern der jüd. Gemeinde geretteten Thorarollen und anderen Gegenstände seien zu Bauer August Becker in der Obersten Straße gebracht worden. Dieser habe die Sachen unter strengster Geheimhaltung im Heu versteckt. Nach dem Krieg, als Inge Nussbaum, welche die KZ-Lager überlebt hatte, ein Jahr lang bei der Familie Friedrich Roß lebte, kam Herr Becker eines Tages mit einem großen Koffer und übergab die darin aufbewahrten Gegenstände aus der Synagoge an Inge Nußbaum. Diese habe sie dann zur neu entstandenen jüdischen Gemeinde nach Fulda 3)  gebracht.
Was mit diesen "Überbleibseln" aus der Burghauner Synagoge weiter geschah weiß bisher niemand, sie sollen in die USA gekommen sein.

Wie kam der Almosenkelch ins Ausland?

Vorerst kann über die "Emigrationsgeschichte" des Kelches nur spekuliert werden. Es gibt keinerlei Faktenwissen, aber zahlreiche mögliche Mutmaßungen, wie der Spendenkelch aus der Synagoge entfernt und dann ins Ausland gekommen sein könnte: 

  • Es könnte sich um den 1927 aus der Synagoge entwendeten "Almosenkasten" handeln.
    "Der Israelit" vom 30. Juni 1927 berichtete:

    Burghaun, 26. Juni (1927): Nachts brachen Einbrecher in die hiesige Synagoge ein und stahlen den Almosenkasten. Die Täter konnten noch nicht ermittelt werden.
  • Der silberne Kelch könnte eventuell ein Teil des von Schultheis (s.o.) genannten Thorasilbers gewesen sein.
    Aufgrund der mir erst jetzt berichteten Geschichte vom Versteck bei dem mutigen Bauern erscheint es mir allerdings eher unwahrscheinlich zu sein, dass der Silberkelch bei den versteckten Gegenständen war, man hätte sicher davon erzählt - zumal er kein Thorasilber im eigentlichen Sinn ist. 
  • Der Silberkelch könnte bis zuletzt in der Synagoge benutzt und im Verlauf des Novemberverbrechens von 1938 entwendet worden sein.
    Es ist ja durchaus vorstellbar, dass sich das Spendengefäß noch in der Synagoge befand und von den Brandstiftern und Nazigenossen gestohlen wurde, wie andere Dinge auch.

 

Die Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen. Natürlich werden Nachforschungen angestellt. Als erstes habe ich bereits bezüglich des Einbruchs 1927 das Hünfelder Kreisblatt aus dieser Zeit durchforstet, aber es war keine Meldung zu dem Diebstahl zu finden! Auch hat das Auktionshaus auf meine Anfrage nach dem Vorbesitzer nicht reagiert.

Die Quellenlage nach so langer Zeit ist schwierig. Insoweit ist es fraglich, ob es gelingen wird, die Wanderung des Spendenkelches nachzuzeichnen !

 

Wer etwas weiß oder gehört hat, kann sich gern bei E. Sternberg-Siebert melden!

 

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Anmerkungen:

 

  1. Herbert Schultheis: Die Reichskristallnacht in Deutschland nach Augenzeugenberichten, Bad Neustadt a.d. Saale, 1985, Seiten 259/260
  2. Elisabeth Sternberg-Siebert: Jüdisches Leben im Hünfelder Land - Juden in Burghaun 2008, S. 127-132
  3. Seit Mai 1945 bestand in Fulda wieder eine jüdische Gemeinschaft aus etwa 300 bis 350 jüdischen Personen, zumeist "Displaced Persons", die aus den verschiedenen Lagern kamen und vorübergehend in Fulda lebten. ... mehr