Der jüdische Friedhof in Wehrda
"Der Judenfriedhof von Wehrda liegt am Mühlweg. Nach 1933 bekamen die Juden den Auftrag, den Friedhof neu einzuzäunen, bevor sie alle Wehrda verließen. Von Schlotzau kam der Steinmetzmeister Konrad Faust und baute mit seinem Gesellen Heinrich Billing aus Wehrda an der Vorderseite am Weg entlang eine schöne Mauer aus behauenen Natursteinen. Die Mauer ist ungefähr fünfzig Meter lang. Heinrich Billing hatte bei Konrad Faust das Steinhauerhandwerk gelernt. Er wurde im letzten Krieg 1944 in Rumänien vermisst und ist nicht wieder nach Hause gekommen.
Konrad Faust hat mir einmal erzählt, dass er damals jeden Tag mit dem Fahrrad von Schlotzau nach Großenmoor fuhr. Dann ging es zu Fuß weiter über die Hirschel durch den Wald nach Wehrda an die Arbeitsstelle. Er sagte, in Wehrda waren viele Nazis, die mit ihm schimpften, weil er noch für die Juden arbeitete. Er trug sein Werkzeug, den Fäustel, immer in der Hand, für den Fall, dass ihn jemand hätte schlagen wollen, um sich zu wehren.
Die drei anderen Seiten des Friedhofes waren mit einem Lattenzaun eingefasst. An der Rückseite wuchs auch noch eine Weißdornhecke. Mein Vater hatte 1928 den davor liegenden Acker von der Judengemeinde gekauft. Wir sagten immer, es ist ein knapper Morgen. Die Juden rechneten mit dem Kasseler Morgen 24,75 Ar. Der Preußische Morgen betrug 25,25 Ar. Das haben wir in der Schule gelernt. Man hat sich dann auf 25 Ar geeinigt. Es war so viel Land, wie man mit einem Pferdegespann früh morgens pflügen konnte. Vier Morgen ergaben einen Hektar = 100 Ar = 10.000 qm.
Von unserem Acker konnte ich immer in den Friedhof blicken, wenn wir dort arbeiteten. Doch so sauber, wie er heute von der Gemeindeverwaltung gehalten wird, war er sonst nicht. Die Juden haben nicht so oft das Gras gemäht. Auf den Gräbern wuchs auch nur Gras, Blumen wurden nicht gepflanzt. Man sah manchmal auf dem Grabstein ein kleines Steinchen liegen. Dann waren Angehörige da und hatten es dort als Gruß abgelegt."
Auf manchen Steinen findet man auf der Rückseite eine Inschrift in deutscher Sprache. Auf diese Weise erhielt der Synagogenälteste Hirsch Birkenruth eine besondere Würdigung seines Wirkens. Deutlich ist zu lesen:
Hier ruht in Frieden
unser geliebter Gatte und Vater
Hirsch Birkenruth
geb. d. 10. Sept. 1834, gest. d. 10. Juli 1887
Redlich und treu, darum geehrt und beliebt
bei arm und reich soweit ...(unleserl.).
Früh morgens und spät abends war er bereit zu Gebet und Lobgesängen und
guten Thaten.
Seine Gemeinde leitete er mit Weisheit
und Gerechtigkeit.
Sein Andenken wird fortleben für und für.
Ruhe in Frieden.
Dein Schlaf möge süß sein
bis Dich Dein Gott erwecken wird
zum ewigen Leben.