Familie Manuel Oppenheimer

Kaufmann Salomon Oppenheimer, als Manuel oder Manes bekannt (*19.6.1864 in Schmalnau/Rhön), heiratete 1894 in Burghaun die junge Witwe Sophie Katz geb. Nußbaum (*11.3.1862) von hier. Sophie war in erster Ehe mit Abraham Katz verheiratet, der 1888 gestorben war. Ihren Sohn Moses (*6.7.1887) aus dieser Verbindung brachte sie mit in die neue Familie. Über ihn ist weiter nichts bekannt. Das Ehepaar Oppenheimer bekam zwei Kinder:

Bella * 29.10.1896

Isidor gen. Julius *1.1.1900

Manuel Oppenheimer betrieb im Haus ein Laden­geschäft mit Manufakturwaren. Es soll ein ansehnlicher Laden gewesen sein. Ob er auch Schaufen­ster hatte, weiß allerdings niemand mehr so genau. Die einen erinnern sich an Schaufenster, andere wiederum nicht. Manuel Oppenheimer zog mit seiner Ware über Land, während die übrige Familie den Laden besorgte.

Zeitzeuge Franz Koch:

Herr Koch erinnerte sich noch gut „an die Oppenheimers, den Julius und die alten Leute. Die wohnten ja bei uns genau gegenüber. In ihrem Laden hatten die so ziemlich alles an Manufakturwaren, aber meistens Stoffe. Der alte Herr Oppenheimer ist immer mit dem Pferdewagen gefahren. So hat er die Kunden beliefert auf den Dörfern.“

Im Kreisadressbuch von 1926 ist Manuel Oppenheimer noch verzeichnet. Vermutlich starb er aber wenige Jahre später, ob in Burghaun oder an einem anderen Ort, weiß man nicht. Auf dem hiesigen jüdischen Friedhof ist kein Grabstein mit seinem Namen zu finden!

So­phie Oppenheimer starb am 1.8.19­32. "Vom frühen bis ins späte Alter bewies sie ihre Tüchtigkeit, die Krone und Zierde ihres Mannes und ihrer Kinder." So steht es auf ihrem Grabstein in Burghaun.

Tochter Bella heiratete einen Herrn Treidel in Mayen. Über sie war zu erfahren, dass sie während der Judenverfolgungen 1942 nach Polen deportiert wurde und in dem Ver­nichtungslager Majdanek bei Lublin ums Leben kam.

 

Familie Julius Oppenheimer

Julius Oppenheimer (*1900), der im Geschäft seines Vaters tätig war, heiratete am 5.2.1927 Silvia Haas (*25.1.1902) in Oberelsbach in der Rhön. Er lebte mit seiner Familie bis zur Emigration im Elternhaus in Burghaun. Das Ehepaar bekam drei Kinder:

Ruth *29.11.1927 in Fulda

Norbert *23.10.1929 in Burghaun

Martin *11.4.1933 in Fulda

Nach dem Tod von Manuel Oppenheimer führten Julius und Silvia das elterliche Geschäft weiter.

Zeitzeuge Franz Koch:

“Später hat der Sohn Julius das Geschäft geführt, er hat sich dann ein Auto angeschafft. Der Julius war ein feiner Mensch, seine Frau auch. Die hatten ein behindertes Kind, ich glaube, das lebte überhaupt nicht zu Hau­se, sondern in einem Heim. (siehe unten) Wir haben viel bei denen gekauft.“

Der frühere Nachbar Feiber Strauß (Buch Fam. 19) erinnerte sich ebenfalls, dass Herr Oppenheimer jun. schon Ende der 20er Jahre mit einem Auto über Land fuhr, um seine Kunden auf den Dör­fern aufzusuchen.

 

Wegen der zunehmenden Diskriminierung der Juden während der Nazi-Herrschaft reiste Julius schon gegen Ende 1935 nach Amerika und bereitete die Auswanderung der Familie vor. Frau Silvia folgte kurze Zeit später mit den beiden Söhnen Norbert und Martin.

Ruth, die taubstumm war, besuchte in Berlin eine besondere jüdische Schule für taubstumme Kinder. In dieser Einrichtung blieb sie auch zunächst, denn sie war dort sehr gut aufgehoben und konnte weiter Unterricht erhalten. Damit sich ihre erst 11-jährige Tochter nicht verlassen vorkäme, mussten es die Eltern irgendwie bewerkstelligen, ihr eine gewisse Zeit lang zu verheimlichen, dass die Familie inzwischen nicht mehr in Burghaun, sondern in New York lebte. Nach dem fürchterlichen Pogrom im November 1938 kam Ruth schließlich wieder mit ihren Angehörigen in New York zusammen.

 

In der neuen Heimat

Der Aufbau einer neuen Existenz in den USA war nicht leicht. Julius Oppenheimer fand zunächst eine Arbeit als Koch in einer Marmeladenfabrik im New Yorker Stadtteil Brooklyn. Auch Silvia Oppenheimer war in einer Fabrik beschäftigt. Nach wenigen Jahren zog die Familie nach Vineland südlich von Philadelphia und kaufte dort 1941 eine Hühnerfarm. Später lebten Julius und Silvia Oppenheimer in Englewood/New Jersey ganz in der Nähe von New York. Dort starb Silvia im August 1986, Julius folgte ihr ein Jahr später.

Ruth heiratete 1949 in New York den Werkzeug-Designer James Stern aus Philadelphia und bekam zwei Kinder: Ronald und Susan. Sie lebt noch heute mit ihrem Mann in New York. Beruflich war sie viele Jahre in einer Einrichtung für Taubstumme als Erzieherin tätig.

Norbert heiratete 1955 in New York die aus Neuwied bei Koblenz stammende Alice Gottschalk. Er lebte mit seiner Frau und den Kindern Martin, Ellen und David in New York. Norbert Oppenheimer, der sich in USA Norman nannte, war Direktor von CON AGRA, einer weltweit operierenden Nahrungsmittel-Import-Firma in Nebraska. Er starb 1990 in New York an einem Krebsleiden.

Martin, der jüngste der Geschwister, studierte Jura und heiratete 1960 in New York Suzanne Rosenhirsch. In den Jahren 1963 bis 1970 wurden die vier Kinder Marcy, Evan, Joshua und Alexandra geboren. Heute ist Martin Oppenheimer als Rechtsanwalt in einer renommierten Anwaltskanzlei in New York tätig (inzwischen 2022 im Ruhestand).

Frau Suzanne Rosenhirsch-Oppenheimer, genannt Suzi, absolvierte eine politsche Karriere. Nach acht Jahren als Bürgermeisterin ihres Wohnortes zog sie als Senatorin in den Senat des Staates New York ein. Im Dezember 1998 wurde sie für eine weitere Legislaturperiode wiedergewählt (inzwischen ist auch sie im Ruhestand).

 

Haus der Familie Oppenheimer in Mamaroneck in der Nähe von New York

Auf Spurensuche in Burghaun

Im August 1998 besuchte die Familie Oppenheimer während einer Auslandsreise auch Burghaun. Auf den Spuren der Vergangenheit beschäftigte Martin Oppenheimer eine Frage besonders: "Wieso verließen meine Eltern schon so früh Burghaun?" Sein Vater habe nie über jene Zeit gesprochen, sodass man als Antwort auf diese Frage nur Vermutungen anstellen kann:

Gewiss hatte sich Julius Oppenheimer ganz und gar als Deutscher und Burghauner gefühlt, was ja auch zutraf. Schließlich war er als blutjunger Mann im ersten Weltkrieg zu den Fahnen geeilt -fürs Vaterland. Die Kränkungen und Diskriminierungen durch die Nazis, die bereits auf vielfältige Weise an der Tagesordnung waren, konnte und wollte er nicht länger hinnehmen.

Sogar schon kurz vor der “Machtergreifung” Hitlers soll es Übergriffe gegeben haben. An solch einen Zwischenfall erinnerte sich jedenfalls der Zeitzeuge Franz Koch, der gegenüber von Oppenheimers wohnte:

Franz Koch:

“Als die Nazis noch gar nicht dran waren, bin ich mal nachts erschrocken und hab das Fenster aufgemacht. Da hatten welche bei der Schmiede eingebrochen und so schwere Hämmer rausgeholt. Und zwei versoffene Kerle da sind losgegangen und haben dem Oppen­heimer die ganzen Fenster eingeschmissen.“

Wer weiß, wie oft schon im Haus die Fensterscheiben geklirrt hatten, ehe Julius und Silvia Oppenheimer den lebensentscheidenden Entschluss zur Auswanderung fassten. Wahrscheinlich haben sie auch in den bereits stattgehabten antisemitischen Übergriffen und erst recht in den Nürnberger Gesetzen vom 15. September 1935 die Vorboten der Judenvernichtung erkannt und sahen insbesondere für ihre Kinder keine Zukunft mehr in Deutschland. Genug Gründe, um sich im Dezember 1935 nach USA in Sicherheit zu bringen.