Jüdisches Leben im Hünfelder Land - Juden in Burghaun

Prof. Dr. Peter Krahulec über das Buch von

Elisabeth Sternberg-Siebert

   

 

Prof. Dr. Peter Krahulec, Fachhochschule Fulda, stellte das Buch "Jüdisches Leben im Hünfelder Land - Juden in Burghaun" am 21. August 2001 im Kreisgeschichtlichen Museum in Hünfeld in einer gut besuchten und von Museumsleiter Berthold Baier perfekt organisierten öffentlichen Präsentation vor. Unter anderem sagte er: 

   


 

"Von Elie Wiesel stammt der Satz: Das Gegenteil von Liebe ist nicht Hass sondern GLEICHGÜLTIGKEIT. In diesem Sinne engagieren wir uns -beide im Lehrberuf tätig- gegen Gleichgültigkeit, aber für eine GLEICHE GÜLTIGKEIT. Und zwar vor Ort in Familie und Nahbereich gemäß Sigmund Freuds Konzept: "Erinnern, wiederholen, durcharbeiten".

Zu den 288 Druckseiten (320 in der Neuauflage von 2008) des Buches kann man Autorin und Verleger nur gratulieren. Es überholt den Klassiker "Schicksalswege der Juden in Fulda und Umgebung" von Sonn/Berge meilenweit und setzt neue Standards für die hiesige Regionalliteratur.

Einige Schlaglichter:

Das Kapitel "Vom meist friedlichen Zusammenleben bis die Nazis kamen" erweist sich als faktenreich und richtig im Sinne der Alltagsorientierung. Die Nazis kamen nicht, sondern die Mehrzahl der Bewohner wurden begeisterte Nazis. Aus Nachbarn wurden Juden - systematisch entrechtet, gettoisiert, deportiert und industriell vernichtet.

Es entstehen wieder lebendige Menschen vor unseren Augen durch den konsequent praktizierten biografischen Ansatz, zum Beispiel: Herta Sterns Briefe, die eine eigene Veröffentlichung verdienten.

Die Stimmen der Verstorbenen und Verstoßenen klingen nach und klingen neu in der Beschreibung der "Schicksalswege der jüdischen Familien" Burghauns. Hier hat die Autorin 30 Familiensagas dem Vergessen entrissen und der erinnernden Eingemeindung anempfohlen. Damit bekommt auch das Kapitel über den Friedhof "Stätte der Erinnerung und bleibende Aufgabe" und auch der Friedhof selbst seine mitschwingende Bedeutung als "Ort des Lebens".

In mühsamster Kleinarbeit sind "Stammbäume jüdischer Familien" und "Die Namen der ermordeten Juden des Kreises Hünfeld" zusammengetragen und erstmals veröffentlicht, womit der Bedeutung von Namen und Erinnerung eindrucksvoll Rechnung getragen ist.

Mehr als ein Anhang ist das Kapitel "Überlebende des Holocaust berichten". Noch leben sie unter uns, wie die Täter, vor allem aber auch die Mitläufer und verweisen auf "das Ungeheuer, dessen Teile wir sind" (vgl. Thomas Hobbes, Leviathan).

Auch ein wichtiges Kapitel: "Es haben nicht alle mitgemacht". Es ist zwar mit historischer "Zwangsläufigkeit" etwas kurz geraten, aber immerhin, es gab sie: Den Franz Koch, den Bäcker Roß und andere mehr.

In diesem Sinne ist Sternbergs Burghaun-Buch nicht nur ein Dokument gegen die Gleichgültigkeit, sondern es kann auch ein Grundbuch für „nichtrassistische Bildung“ werden.

Aufgrund der hohen Qualität der Gestaltung durch den Imhof-Verlag stellt das Buch Jüdisches Leben - Juden in Burghaun auch eine grandiose Einladung zum Blättern und Festlesen dar.

Zur Ehrenrettung der Region, damit aus Herkunft Zukunft werde, hat Elisabeth Sternberg - Siebert von innen und von unten einen bemerkenswerten Beitrag geleistet. Und dafür sage ich Dank und Respekt."

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